Webrelaunch 2020

Artinsche L-Funktionen (Wintersemester 2012/13)

In dieser Vorlesung werden wir die Artinsche L-Funktionen studieren.

Wir haben eine Ilias-Seite, wo der aktuelle Fortschritt der Vorlesung dokumentiert und mit Literaturhinweisen kommentiert wird.

Termine
Vorlesung: Dienstag 9:45-11:15 1C-01
Donnerstag 9:45-11:15 1C-01

Die Geschichte der L-Reihen beginnt bereits bei Leonhard Euler, welcher im 18. Jahrhundert die Riemannsche \zeta-Funktion
\zeta(s)=\sum_{n=1}^\infty n^{-s}
entdeckte und zeigte, dass sie der Produktformel
\zeta(s)=\prod_{p}\frac{1}{1-p^{-s}}
genügt, wobei p die Menge der Primzahlen durchläuft. Im 19. Jahrhundert zeigte Bernhard Riemann, dass die a priori nur für {\rm Re}(s)>1,\;s\in{\mathbb C} konvergente Reihe \zeta(s) eine holomorphe Fortsetzung auf {\mathbb C}-\{1\} besitzt, einer Funktionalgleichung der Form s \mapsto 1-s genügt und einen einfachen Pol mit Residuum 1 bei s=1 aufweist. Letztere Aussage spiegelt die Tatsache wider, dass in \mathbb Z jedes Ideal ein Hauptideal ist: der Zahlkörper \mathbb Q hat die Klassenzahl 1. Weiterhin weiß \zeta(s) viel über die Verteilung von Primzahlen.

Die Riemannsche \zeta-Funktion ist der Prototyp einer L-Funktion, einem Begriff, der erst langsam verallgemeinert wurde, zunächst von Dedekind, Dirichlet und Hecke, und dann von Emil Artin, Helmut Hasse, Alexander Grothendieck, Goro Shimura, und Robert Langlands et al.

L-Funktionen spielen in der modernen Zahlentheorie eine zentrale Rolle, und bis heute ranken sich fundamentale Vermutungen um diesen Begriff. Selbst die Mysterien der Riemannschen \zeta-Funktion sind auch heute bei Weitem nicht vollständig ergründet.

In dieser Vorlesung werden wir Artinsche L-Funktionen kennenlernen. In Analogie mit der Riemannschen \zeta-Funktion ist eine Artinsche L-Funktion zunächst als ein Eulerprodukt über alle Primzahlen (bzw Primstellen eines Zahlkörpers) definiert, und konvergiert daher zunächst nur in einer rechten Halbebene. Zugleich haben Artinsche L-Funktionen sehr schöne Eigenschaften, welche aus heutiger Sicht den motivischen Formalismus Grothendiecks widerspiegeln.

Insbesondere lässt sich jede Artinsche L-Funktion als Produkt irreduzibler schreiben, und die Artinsche Vermutung besagt, dass jede irreduzible Artinsche L-Funktion holomorph ist, sofern es sich nicht um die Riemannsche \zeta-Funktion handelt. Weiterhin erfüllen Artinsche L-Funktionen analog zur Riemannschen \zeta-Funktion vermutlich eine explizite Funktionalgleichung.

In der Vorlesung werden wir diese Vermutungen kennenlernen, und zeigen, dass Artinsche L-Funktionen stets meromorph auf ganz \mathbb C sind (d.h. höchstens endlich viele Pole aufweisen), und einer Funktionalgleichung genügen.

Voraussetzungen sind Grundkenntnisse in

  • Funktionentheorie I (d.h. Definition holomorpher und meromorpher Funktionen auf \mathbb C und Eindeutigkeit einer holomorphen Fortsetzung, absolute und lokal gleichmäßige Konvergenz impliziert Holomorphie).
  • Algebraische Zahlentheorie I (Struktur des Ganzheitsringes eines Zahlkörpers, Grundlagen lokaler Körper)

Hilfreich, aber nicht notwendig sind Kenntnisse in Algebraischer Zahlentheorie II (Adele, Idele und Klassenkörpertheorie), sowie der Darstellungstheorie endlicher Gruppen (etwa wie im Seminar Deformationstheorie von Galoisdarstellungen des letzten Semesters).

Literaturhinweise

  • Bernhard Riemann, Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Grösse, Monatsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1859
  • Emil Artin, Über eine neue Art von L-Reihen, Abh. Math. Seminar Hamburg, 1923
  • André Weil, Basic Number Theory
  • Jürgen Neukirch, Algebraische Zahlentheorie
  • Haruzo Hida, Elementary theory of L-functions and Eisenstein series
  • Jean-Pierre Serre, Corps locaux
  • Jean-Pierre Serre, Représentations linéaires des groupes finis
  • John Tate, Number theoretic background, in Automorphic forms, representations and L-functions, Proc. Sympos. Pure Math., XXXIII, AMS, 1979
  • Serge Lang, Introduction to Algebraic Number Theory
  • Eberhard Freitag und Rolf Busam, Funktionentheorie I