Nachruf
Von den Anfängen der Computer bis zu Hochleistungsrechnern
Nachruf. Professor Dr. Wilhelm Niethammer 02.12.1933 – 17.03.2023
Am 17. März 2023 verstarb nach längerer Krankheit Professor Dr. Wilhelm Niethammer im 90-sten Lebensjahr. Er war fast
24 Jahre Ordinarius für Mathematik an der Universität Karlsruhe (TH) und hat die mathematische Fakultät nachhaltig mitgeprägt.
Wilhelm Niethammer gehörte national und international zu den herausragenden Vertretern in seinem Fachgebiet Numerische Mathematik.
Er hat den Einsatz der Rechenmaschinen an den deutschen Universitäten mit Weitblick gestaltet und gefördert.
Nach glanzvollem Abitur favorisierte Wilhelm Niethammer den Beruf eines Mathematik-Lehrers − ein bedeutender Professor
der Mathematik, gerade auch an der Universität Karlsruhe, ist er geworden. Geboren und aufgewachsen in Unterjettingen
bei Nagold im Württembergischen, lag es 1953 nahe, sich an der Universität Tübingen einzuschreiben. Dort schloss
Wilhelm Niethammer das Studium der Mathematik und Physik mit dem Ersten Staatsexamen für das Höhere Lehramt, das
anschließende Referendariat mit dem Zweiten Staatsexamen ab.
Just zu diesem Zeitpunkt, Ende 1959, erhielt die Universität Tübingen die erste elektronische Rechenanlage. Neugierde
und Faszination, aber auch sein Weitblick veranlassten ihn dazu sich zu bewerben. So wurde er einer der ersten
wissenschaftlichen Mitarbeiter am Rechenzentrum der Universität. Neben den damit verbundenen vielfältigen Aufgaben
verfasste er unter der Anleitung von Professor Dr. Karl Zeller eine Dissertation mit dem Titel Überrelaxation bei
linearen Gleichungssystemen mit schiefsymmetrischer Koeffizientenmatrix.
1966 wechselte Wilhelm Niethammer an die neugegründete Ruhr-Universität in Bochum und war wiederum maßgeblich am
Aufbau des Rechenzentrums beteiligt. Nach der Habilitation wurde er 1970 auf einen Lehrstuhl an die Universität
Mannheim berufen, womit die Leitung des Rechenzentrums verbunden war. 1978 folgte er dem Ruf auf einen Lehrstuhl
für Numerische Mathematik und Großrechenanlagen in der Fakultät für Mathematik der Universität Karlsruhe (TH).
Damit verbunden war die Leitung des Instituts für Praktische Mathematik. Ende März 2002 wurde er nach
fast 24-jähriger Tätigkeit an der Fridericiana emeritiert.
Die Entwicklung der Computertechnik in den Jahren ab 1960 hatte eine große Auswirkung auf die Numerische Mathematik.
Als profilierter Vertreter beider Seiten hat Wilhelm Niethammer die wissenschaftliche Entwicklung in der Numerischen
Linearen Algebra entscheidend mitgeprägt und richtungsweisende Arbeiten publiziert. So hat er es unter anderem verstanden,
die Numerik mit der Limitierung zu verbinden und damit neue Methoden zur Konvergenzbeschleunigung für Kettenbruch-
entwicklungen und zur Lösung linearer Gleichungssysteme zu entwickeln. Auch für singuläre Systeme, wie sie etwa
im Zusammenhang mit Markov-Ketten auftreten, konnte er interessante Phänomene klären.
Professor Niethammer führte neben seiner wissenschaftlichen Arbeit eine ganze Reihe von Ämtern und Tätigkeiten aus:
Er war Dekan, Prodekan, und Mitglied des Fakultätsrates, er arbeitete in zahlreichen Kommissionen und Ausschüssen mit,
war Sprecher des Instituts für Wissenschaftliches Rechnen und Mathematische Modellbildung, Leiter der Rechnerabteilung
der Fakultät, Mitherausgeber mathematischer Zeitschriften (zum Beispiel "Numerische Mathematik") und Vertrauensdozent
der Studienstiftung des deutschen Volkes. Lange Jahre war er zudem als Gutachter für Angewandte Mathematik und als
Vorsitzender des Fachausschusses Mathematik der Deutschen Forschungsgemeinschaft tätig. Dies unterstreicht die hohe
Wertschätzung, die er unter Mathematikern genießt, und belegt seine wissenschaftlichen Verdienste. Er vertrat stets einen
hohen Qualitätsanspruch, gegenüber Studierenden und Wissenschaftlern, gerade aber auch gegenüber seiner eigenen Arbeit.
Als akademischer Lehrer bot er stets ausgewogene und wohlvorbereitete Vorlesungen und Vorträge. Zahlreiche Schüler sind
Wilhelm Niethammer für seine Lehrveranstaltungen, seine wissenschaftlichen Anregungen und intensive Förderung dankbar.
Unter seiner Anleitung entstanden in Karlsruhe mehr als 40 Diplomarbeiten und zehn Dissertationen; mehrere seiner Schüler
sind auf Professuren für Mathematik berufen worden. Mit der Organisation verschiedener Tagungen, zahlreichen Vorträgen
und seiner liebenswürdigen Art schuf er enge Kontakte zu Fachkollegen im In- und Ausland. Ein Beispiel ist Professor
Dr. Richard Varga von der Kent State University in Ohio, mit dem zahlreiche Arbeiten entstanden sind und der Ehrendoktor
der Fakultät in Karlsruhe geworden ist. Wie er schätzten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Doktoranden und
Diplomanden das gute Betriebsklima am Institut − Wilhelm Niethammer war es stets wichtig.
Unser Gedenken und unser Mitgefühl gelten seiner lieben Frau und Familie.
Die Mathematische Fakultät und das Institut für Numerische und Angewandte Mathematik werden Wilhelm Niethammer
ein ehrendes Andenken bewahren.
Prof. i.R. Dr. Rudolf Scherer, Institut für Numerische und Angewandte Mathematik, KIT