Häufig gestellte Fragen zur HM1
Hier finden Sie Antworten auf Fragen, die in Sprechstunden zu den HM1-Vorlesungen besonders aufgefallen sind. Die Antworten sind knapp gehalten und versuchen nur die besonderen Knackpunkte hervorzuheben- allgemein sollte man sich zu den Themen auch die Lösungen zu den Übungsblättern und die jeweiligen Abschnitte im Skript ansehen. Bei Fragen zu dieser Liste wenden Sie sich an Dr. Sven Heumann oder Dr. Andreas Helfrich-Schkarbanenko Dr..
Eine Übersicht der hier genannten Themen:
- Wurzeln einer komplexen Zahl
- Ableiten von Potenzreihen oder "Warum beginnt die Reihe nun bei 1?"
- Die allgemeine Lösung bei der Umkehrung der Exponentialfunktion oder "Wie war das nochmal mit dem komplexen Logarithmus?"
- Das komplex Konjugierte einer Funktion oder "Was macht der Strich über dem Sinus da?"
- Division durch komplexe Zahlen
- Der Imaginärteil vom Imaginärteil oder "Der reelle Imaginärteil"
- Wie mache ich das mit dem Abschätzen?
- Abschätzen auf Intervallen oder "Warum darf ich nicht immer einfach Anfangs- und Endpunkt einsetzen?"
- Ein spezieller Grenzwert oder "Exponentialfunktionen steigen stärker als Polynome, oder?"
- Eine einfache Differentialgleichung aus der TM-Sprechstunde.
Die Wurzeln einer komplexen Zahl
Wie ziehe ich die Wurzel aus einer komplexen Zahl?
Wichtig! Wenn man die Frage so stellt, macht man sich das Leben sehr schwer: Der Begriff der Wurzel ist bei komplexen Zahlen sehr schwierig, da es im Gegensatz zu Wurzeln aus reellen positiven Zahlen, keine einfache eindeutige Festlegung auf einen Wert gibt, den man die Wurzel nennen könnte. Deswegen sollte man entweder immer von Wurzeln im Plural sprechen, oder viel besser fragt man:
Welche Zahlen lösen die Gleichung ?
Betrachten wir dieses Beispiel: Gesucht seien alle Lösungen der Gleichung .
- Bei der Lösung über Polarkoordinaten nehmen wir an, dass und . Dann ist und für ein , um den Hauptwert zu erhalten. Dann bestimmen wir und mit Hilfe der Tabelle auf Seite 12 im Skript.
- So erhalten wir durch Vergleich von rechter und linker Seite, dass , also und durch die zwei Lösungen für und für . Für alle anderen Werte von erhalten wir nur Werte ausserhalb , die durch die beiden angegebenen schon abgedeckt sind. Damit lauten die beiden Lösungen:
- Bei der Lösung über kartesische Koordinaten nehmen wir an, dass mit . Dann ist und durch Vergleich von Real- und Imaginärteil erhalten wir die zwei Gleichungen und .
- Aus der zweiten Gleichung folgt, dass und deshalb . Dies setzen wir in die erste Gleichung ein und erhalten . Dies ist äquivalent zu . Quadratische Ergänzung liefert uns , also . Da nun nicht negativ sein kann, da reell sein soll, muss sein und wir erhalten die zwei Lösungen . Mit der Gleichung für erhalten wir die korrespondierenden Imaginärteile . Damit lauten die Lösungen wie zuvor:
Warum braucht man nun eigentlich zwei Methoden für die gleiche Sache? Überlegen Sie selbst, mit welcher Methode Sie die Lösungen folgender Gleichungen bestimmen würden:
Ableiten von Potenzreihen
Warum beginnen die Reihen der Ableitungen der Potenzreihen manchmal ab Index 1, manchmal ab Index 0?
Vorweg eine Erinnerung: Die Ableitungen von Potenzreihen können innerhalb ihres Konvergenzkreises durch Ableiten der einzelnen Reihenglieder bestimmt werden. Ob nun der Index, bei dem die Reihe beginnt, verändert wird hängt davon ab, ob die abzuleitende Potenzreihe eine Konstante hatte: Konstanten fallen beim Ableiten weg.
Man kann dies am Beispiel der Potenzreihen von und nachvollziehen:
Da hier keine Konstante vorkommt, darf man in der Ableitung der Potenzreihe den ersten Reihenglieder nicht wegfallen lassen:
Anders sieht es bei der Potenzreihe von aus, hier haben wir eine Konstante:
Damit fällt bei der Ableitung das erste Reihenglied weg:
Nebenbei war vorhin leicht zu erkennen, dass die Ableitung der Potenzreihe vom der Potenzreihe vom entspricht. Damit wir in der Ableitung der Potenzreihe vom die Potenzreihe von erkennen, müssen wir eine Indextransformation bzw. durchführen:
Die allgemeine Loesung mit dem komplexen Logarithmus
Was ist die allgemeine Lösung von
Diese Gleichung hat (wenn ) mehrere, sogar unendliche viele, Lösungen. Die Lösungen können wir aber mit Hilfe der eindeutig definierten Umkehrfunktion der Exponentialfunktion, dem komplexen Logarithmus, der uns eine Lösung liefert, ausrechnen.
Der komplexe Logarithmus ist definiert als:
Hier ein Beispiel:
Damit haben wir eine Lösung der Gleichung bestimmt. Da aber mit der Eulerformel , ist auch für jede ganze Zahl das eine Lösung, da
Damit ist die allgemeine Lösung von
gegeben durch
Die Berechnung des Arguments einer komplexen Zahl finden Sie im HM1-Skript auf Seite 12 sehr ausführlich beschrieben.
Das komplex Konjugierte einer Funktion
Was ist
Die Antwort erhält man, wenn man den Real- und Imaginärteil der komplexwertigen Funktion für ausrechnet:
Jetzt ist klar:
Das Ergebnis ist schon sehr gut- wir haben damit den komplexen Kosinus in seinen Real- und Imaginärteil zerlegt, man kann jetzt aber noch zusammenfassen:
Somit gilt:
Division durch komplexe Zahlen
Was ist
Ein Klassiker.
Der Imaginaerteil vom Imaginaerteil
In der Klausur vom August 2002 ist eine Aufgabe, bei der man etwas Rechnerei zu einer Gleichung wie
kommt, wobei und kompliziertere, aber reelle, Ausdrücke sind. Warum steht dort im nächsten Schritt
Die Erklärung dafür ist nicht so kompliziert: ist eine reelle Zahl und damit ist der Imaginärteil davon 0, wie bei jeder reellen Zahl. Deswegen kommt man durch Vergleich des Imaginärteils auf diese Gleichung.
Zur Illustration sei , dann steht da:
Klar, dass und sein muss.
Das Abschaetzen
Wie funktioniert das mit dem Abschätzen?
Leider gibt es dafür kein Patentrezept, nur Erfahrung und Übung wird einem dieses Thema erleichtern- es gibt aber ein paar grundlegende Prinzipien, die oft helfen können: Als ersten sollte man, wie immer, genau mit allen Annahmen aufschreiben, was man erreichen möchte. Nehmen wir ein sehr einfaches Beispielproblem:
Da hier eine Summe mit einer Zahl verglichen werden soll, ist hier die Idee, die rechte Seite auch durch eine Summe darzustellen, denn:
Jetzt müssen die beiden Summen verglichen werden und das führt zum eigentlichen Abschätzen: Ist grundsätzlich bekannt, dass eine Variable kleiner oder größer einer anderen ist, so kann man dies nutzen, hier ist der letzte fehlende Schritt zu obigem Problem:
Hier durchläuft die Zahlen und ist so sicher kleiner oder gleich . Nach dem gleichen Prinzip wird hier abgeschätzt:
In dieser Summe kommt ein Bruch vor, und da muss man sich merken, dass ein positiver Bruch (hier meine ich, dass sowohl Zähler als auch Nenner positiv sein sollen) dann größer wird, wenn Zähler vergrößert, oder der Nenner verkleinert wird, d.h. in Formeln für :
Natürlich kann man hier die durch eine beliebige positive Zahl (wir Mathematiker lieben da das ) oder Funktion ersetzen. Ganz allgemein geht es darum einen Term durch einen größeren oder kleineren Term zu ersetzen, und davon gibt es sehr viele, denn z.B. ist für reelle
aber auf solche Abschätzungen zu kommen muss nicht leicht sein. Eine Begründung einer Abschätzung braucht schon eine kleine Kurvendiskussion, bzw. muss man da erklären, warum die Funktion , also nicht negativ wird. Doch wenn man weiss, was man erreichen will, kann eine Skizze oder können weitere Umformungen beider Terme helfen, die richtige Idee zu bekommen- und letztlich hilft dann Übung. Um Fallstricke und Techniken zum Abschätzen auf Intervallen handelt der folgende Abschnitt:
Abschaetzen auf Intervallen
Warum darf ich nicht immer einfach Anfangs- und Endpunkt einsetzen, um einen Term abzuschätzen?
abschaetzen.png|right|Eine nicht monotone FunktionBei Abschätzungen auf Intervallen will man einen Einschluss des Wertebereichs eines Terms finden. Wenn man weiss, dass eine Funktion monoton ist, so reicht es zur Abschätzung den Anfangs- und Endpunkt einzusetzen. Ist die Funktion auf dem betrachteten Intervall nicht monoton, oder weiss man es einfach nicht, so muss man sich mehr Mühe geben, wie zB den genauen Wertebereich zu bestimmen, die Monotonie nachweisen, oder die Funktion umformen, bis man auf anderen Weg einen Einschluss finden kann.
Beispiel 1) Wir betrachten
Es ist und , man darf aber nun nicht folgern, dass auf dem Intervall nun nicht größer als 4 wird, denn tatsächlich ist . Da wir nichts weiteres über die Funktion wissen, kann uns die Betrachtung der Ränder nicht helfen.
Wie aber kann man nun so eine Funktion sinnvoll abschätzen? Entweder grob und schnell, in dem man jeden Term einzeln abschätzt,
siehe auch Beispiel 2), oder man macht eine Kurvendiskussion. In diesem Beispiel kann man aber mit einer leichten Umformung sehr schnell zum Ziel kommen, und zwar mit der sehr wichtigen quadratischen Ergänzung:
Jetzt sehen wir, dass eine nach unten geöffnete Parabel ist und können uns die weitere Kurvendiskussion sparen! Sie hat ihren Scheitelpunkt und Maximalstelle an , minimal wird sie an einem der beiden Ränder, an denen wir die Funktionswerte schon bestimmten. Damit gilt , wenn ist.
Beispiel 2) Für ist zu zeigen, dass
Einen (positiven) Bruch kann man kleiner machen, in dem man den (positiven) Zähler verkleinert, und/oder den (positiven) Nenner vergrößert. Eine Vergrößerung des Zählers oder eine Verkleinerung des Nenners bewirkt das nicht. Man macht demnach keine Aussage, versucht man jeweils die gleiche Grenze einzusetzen- auch eine Monotonie ist hier nicht offensichtlich erkennbar. Das korrekte Vorgehen durch Abschätzen des Bruches ist hier:
Leider ist unsere korrekte Abschätzung zu grob und zeigt nicht das, was wir zeigen wollten. Deswegen muss man hier anders vorgehen; eine Möglichkeit ist hier, den Term umzuformen:
Jetzt erkennt man eine verschobene negative Hyperbel, die auf streng monoton steigend ist. Deswegen gilt:
Damit ist die Aussage gezeigt- eine andere Lösungsmöglichkeit finden Sie in der Lösung der HM1-Klausur vom Februar 2006.
Jetzt probieren Sie es selbst:
Beispiel 3) Sei . Gilt , wenn ?
Ein spezieller Grenzwert
Warum ist
Diese Frage wurde zwar nicht oft gestellt, und sie dürfen diese Aussage in der Klausur ohne Beweis nutzen, aber es gibt viele schöne Antworten:
Antwort 1) Wir wissen, dass , denn . Nach Bernoullischer Ungleichung ist
und mit haben wir
Damit gilt aber auch, dass
Nach dieser Vorbetrachtung ist
Wem das noch zu kompliziert aussieht, sollte versuchen die Betrachtung für
mit selbst nachzuvollziehen.
Antwort 2) Wir suchen den Grenzwert der Folge gegeben durch:
Es gilt für :
Ab fallen die Folgenglieder mindestens auf des vorherigen Wertes. Also ist für :
Damit folgt:
Auch so kann man die Aussage mit dem Sandwichtheorem nachweisen.
Antwort 3) Wir suchen den Grenzwert der Folge gegeben durch:
Alle Folgenglieder sind positiv, also ist die Folge nach unten beschränkt. Ausserdem ist sie monoton fallend, denn ähnlich zu Antwort 2) ist:
Damit ist sie nach dem Monotoniekriterium konvergent und man kann leicht auf folgende Rekursionsformel kommen:
Da die Folge konvergent ist, können wir auf beiden Seiten der Gleichung den Grenzwert bilden und erhalten für :
Insgesamt haben wir damit
und die einzige Lösung und der Grenzwert ist somit .
Antwort 4) Sei eine Folge mit . Wegen
oder
ist nach Quotienten- oder Wurzel-Kriterium die Reihe konvergent, was zur Folge hat, dass eine Nullfolge ist.
Antwort 5) Rechnung mit der Regel von l'Hospital: Es gilt
Es bleibt noch die Frage, ob hier überhaupt
gilt. Dies können wir in diesem Fall bejahen, da die rechte Seite existiert und den Grenzwert für alle reelle Folgen mit meint, und bei Konvergenz somit auch die natürlichen Folgen auf der linken Seite einschließt.
Eine einfache Differentialgleichung
Was ist die Lösung der Differentialgleichung , wenn eine reelle Zahl ist?
Hoffentlich fällt die Antwort, die aus Sprechstunden der TM stammt, nur deswegen so schwer, weil sie so einfach ist: Wenn , so ist wegen dem Hauptsatz der Differentialrechnung und somit lauten die Lösungen
für alle Integrationskonstanten . Weitere Differentialgleichungen finden Sie im letzten Kapitel des HM1-Skripts.