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Häufig gestellte Fragen zur HM III

FAQ zu HM3

Hier finden Sie Antworten auf Fragen, die in Sprechstunden zu den Vorlesungen Höhere Mathematik III für biw/ciw/vt/mach/mage besonders aufgefallen sind. Die Antworten sind knapp gehalten und versuchen nur die besonderen Knackpunkte hervorzuheben- allgemein sollte man sich zu den Themen auch die Lösungen zu den Übungsblättern und die jeweiligen Abschnitte im Skript ansehen. Bitte beachten Sie auch die Maple Worksheets, die Ihnen begleitend zu den Vorlesungen HM I, II und III zur Verfügung stehen. Bei Fragen zu dieser Liste wenden Sie sich an Dr. Armin Lechleiter oder Dr. Anastasia August .

  1. Anwendung der Kettenregel
  2. Wie kann man sich eigentlich eine Richtungsableitung vorstellen?
  3. Was soll eigentlich bei einer exakten Differentialgleichung exakt sein?
  4. Warum hängt y nicht mehr von x ab, wenn man die Exaktheit einer Differentialgleichung prüft?
  5. Muß man einen skalaren Eulerschen Multiplikator nachdifferenzieren?
  6. Was hat eine Zahlengleichung mit einer Kurve zu tun und wie berechnet man die Tangente an die Kurve?
  7. Warum funktioniert die Lagrangesche Multiplikatorenregel auch bei Mengen, die nicht kompakt sind?
  8. Wie löst man nichtlineare Gleichungssysteme?
  9. Kann man sich einfach vorstellen, was die Lagrangesche Multiplikatorenregel tut?
  10. Was ist das für ein seltsames Integral in Aufgabe 32?
  11. Wie kann man sich ein tangential orientiertes Kurvenintegral vorstellen?
  12. Wann braucht man eine Parametrisierung nach der Bogenlänge?
  13. Wann braucht man eine Verzerrung?
  14. Das Integral über die Eins-Funktion
  15. Verschwindende Oberflächenintegrale
  16. Was kann man sich unter div und rot vorstellen?
  17. Die richtige Orientierung beim Satz von Stokes

Eine Anwendung der Kettenregel

Wie benutzt man die Kettenregel, um die Funktion  g(t) = f(\sin(t), \cos(t)), \ f: \mathbb{R}^2 \to \mathbb{R}, abzuleiten?

Die Kettenregel sagt aus, dass die Ableitung einer Funktion  g(t) , die durch  g(t) = f(\psi(t)) definiert ist, folgendermaßen berechnet werden kann: man leitet zunächst  f ab, setzt  \psi(t) in diese Ableitung ein, und (Matrix-)multipliziert dann noch mit der Ableitung von  \psi :

$ g'(t) = f'(\psi(t)) \psi'(t) . $

Wenn wir das auf die Funktion  g(t) = f(\sin(t), \cos(t)) anwenden wollen, müssen wir zunächst ein  \psi finden, so dass

$ g(t) = f(\psi(t)) $

gilt. Offensichtlich muß \psi von \mathbb{R} nach \mathbb{R}^2 abbilden, damit  f(\psi(t)) überhaupt Sinn macht. \psi(t) ist also ein Vektor mit zwei Komponenten. Wegen  g(t) = f(\sin(t), \cos(t)) muß die erste Komponente gleich \sin(t) sein, und die zweite Komponente von \psi(t) muß \cos(t) sein:

$\psi(t) = \left( \begin{array}{c} \sin(t) \ \cos(t) \end{array} \right) . $

Dann (und genau dann) gilt nämlich  g(t) = f(\psi(t)) , und wir können die Kettenregel ausrechnen um  g'(t) auszurechnen:  g'(t) = f'(\psi(t)) \psi'(t) .

Das letzte Produkt ist eine Matrixmultiplikation:  f'(\psi(t)) ist eine 1\times 2-Matrix und  \psi'(t) ist eine 2\times 1-Matrix, das Produkt ist also wieder eine Zahl (ein Skalar). Das muss auch so sein, denn g ist eine skalare Funktion. Alternativ kann man natürlich auch schreiben  g'(t) = \nabla f(\psi(t))^\top \cdot\psi'(t) .

Noch ein Beispiel zur Verdeutlichung: Wenn f(x_1, x_2) = x_1 + x_1 x_2 , dann ist f'(x_1, x_2) = (1+x_2, x_1) und für g(t) = f(\sin(t) , \cos(t)) ergibt sich mit \psi(t) = \left( \sin(t) , \cos(t) \right)^\top

$ g'(t) = f'(\sin(t) , \cos(t)) \psi'(t) = (1+\cos(t), \sin(t)) (\cos(t), - \sin(t))^\top = \cos(t) + \cos^2(t) - \sin^2(t). $

Natürlich geht das alles analog, wenn man die innere Funktion \psi(t) = \left( \sin(t) , \cos(t) \right)^\top durch andere steitig differenzierbare Funktionen von \mathbb{R} nach \mathbb{R}^2 ersetzt.


Die geometrische Interpretation der Richtungsableitung

Wie kann man sich eigentlich eine Richtungsableitung vorstellen?

Die Richtungsableitung einer Funktion, sagen wir mal, um es einfach zu machen, vom \mathbb{R}^2 nach \mathbb{R} in Richtung a \in \mathbb{R}^2, \ \| a\|_2 =1, ist definiert als

$\frac{\partial f}{\partial a} (x) = \lim_{h \to 0} \frac{f(x+ha)-f(x)}{h}.$

In der Vorlesung haben Sie gelernt, dass man diese Richtungsableitung einfach ausrechnen kann als

$ \frac{\partial f}{\partial a} (x) = a \cdot \nabla f.$

Wenn man sich den Graph der Funktion f als Fläche im \mathbb{R}^3 vorstellt (als "Gebirge"), dann gibt die Richtungsableitung am Punkt x in Richung a an, wie steil der Anstieg von f am Punkt x in Richtung a ist. Wenn man sich vorstellt, am Punkt x im Gebirge zu stehen und in Richtung a schaut, dann ist die Richtungsableitung \partial f / \partial a (x) ein Maß für die Steigung des Gebirges in Richtung a. Das hängt damit zusammen, dass die Richtungsableitung an einem Punkt a gerade die (skalare!) Ableitung der eindimensionalen Funktion g(t) = f(x+ta) ist (Warum? Kettenregel!). Übrigens ist die Richtungsableitung \partial f / \partial a (x) auch gerade die Steigung der Tangentialebene von f am Punkt x in Richtung a.

Differentialgleichungen und Exaktheit

Was soll eigentlich bei einer exakten Differentialgleichung exakt sein?

Exakt ist zuächst einmal einfach eine Bezeichnung, die irgendwann irgendjemand für die DGL's der Form p(x,y(x)) + q(x, y(x)) y'(x) = 0 eingeführt hat: nach Definition unserer Vorlesung bezeichnet man die DGL als exakt, falls gilt  \frac{\partial p}{\partial y} (x,y) = \frac{\partial q}{\partial x} (x,y) . Es gibt auch noch andere Definitionen von Exaktheit: Manche Lehrbücher nennen die obige DGL exakt, falls ein Potential zu p und q existiert, also eine Funktion f(x,y) mit

$\frac{\partial f}{\partial x} (x,y) = p(x,y), \qquad \frac{\partial f}{\partial y} (x,y) = q(x,y). $

Die DGL heißt in dieser Terminologie also exakt, falls (p,q)^\top exakt der Gradient einer Funktion f ist (vielleicht suggeriert dieser Satz etwas, warum das Begriff exakt eingeführt wurde). Was hat diese Definition mit unserer zu tun? Nun, wenn die Bedingung  \frac{\partial p}{\partial y} (x,y) = \frac{\partial q}{\partial x} (x,y) erfüllt ist (die DGL also nach der Definition unserer Vorlesung exakt ist), und zusätzlich die Funktionen p(x,y) und q(x,y) stetig differenzierbar sind, dann existiert immer auch ein Potential f zu (p,q) (siehe z.B. Satz 3.III, Heuser, Gewöhnliche DGL). Beachten Sie, dass die Bedingung  \frac{\partial p}{\partial y} (x,y) = \frac{\partial q}{\partial x} (x,y) wegen dem Satz von Schwarz eine notwendige Bedingung für die Existenz eines Potentials ist (Warum ?).

Exakte Differentialgleichungen

Warum hängt y nicht mehr von x ab, wenn man die Exaktheit einer Differentialgleichung prüft?

Eine Differentialgleichung der Form

$p(x,y(x)) + q (x,y(x)) y'(x) = 0 $

heißt exakt, falls die Bedingung

$ \frac{\partial p}{\partial y} (x,y) = \frac{\partial q}{\partial x} (x,y) $

erfüllt ist. In dieser Bedingung sind p und q Funktionen von den zwei Variablen x und y, die partiell nach y bzw. x abgeleitet werden. Was also nicht geprüft wird, ist, ob  \frac{\partial p}{\partial y} (x,y(x)) = \frac{\partial q}{\partial x} (x,y(x)) gilt. Das wäre auch schwerlich möglich, denn y(x) kennt man ja noch gar nicht. Das man am Ende der Aufgabe eine Funktion y(x) sucht, die die DGL erfüllt, spielt also beim Check nach Exaktheit keine Rolle. Die Funktion y(x) taucht aus den selben Gründen übrigens auch nicht beim Berechnen des Potentials f(x,y) zu p(x,y) und q(x,y) auf. An dieser Problematik kann man eine wichtige Regel zum Rechnen von solchen Aufgaben ableiten: Schreiben Sie immer die Arguments hin, von denen die Funktionen abhängen. Schreiben Sie immer y(x) wenn Sie die Funktion meinen, die die DGL löst, und schreiben Sie immer y ohne (x), wenn Sie die Variable y meinen.

Nachdifferenzieren beim skalaren Multiplikator

Muß man einen skalaren Eulerschen Multiplikator nachdifferenzieren?

Oft wird ja in Aufgaben angegeben, dass der Eulersche Multiplikator einer DGL p(x,y(x)) + q(x,y(x)) y'(x) = 0 von der Form ``skalare Funktion l, die irgendwie von den Variablen x und y abhängtŽŽ angegeben. Als Beispiel nehmen wir jetzt mal an, der Multiplikator wäre von der Form l(x^2 + y^2). Prüft man dann Exaktheit der mit l(x^2 + y^2) modifizierten DGL nach, muß man irgendwann mal den Ausdruck l(x^2 + y^2) nach x und y differenzieren. Das geht mit der (skalaren) Kettenregel (und natürlich muß man dann nach der Variablen x bzw. y nachdiffernzieren),

\frac{\partial \big( l(x^2 + y^2) \big)}{\partial y} = l'(x^2 + y^2) 2y , \qquad \frac{\partial \big( l(x^2 + y^2) \big)}{\partial x} = l'(x^2 + y^2) 2x.

Beachten Sie, dass auf den rechten Seiten der beiden Gleichungen nicht l_x(x^2 + y^2) oder etwa  \left( \frac{\partial l}{\partial y} \right) (x^2 + y^2) steht. Das wäre falsch, denn l ist eine Funktion von einer Variablen, und die können Sie nicht partiell ableiten.

Gleichungen, Kurven und Tangenten

Was hat eine Zahlengleichung mit einer Kurve zu tun und wie berechnet man die Tangente an die Kurve?

Betrachten wir die Gleichung

$x_1^2 + x_2^2 =5 .$

Alle Punkte (x_1, x_2)^\top \in \mathbb{R}^2, die die Gleichung erfüllen, bilden zunächst einmal eine Menge im \mathbb{R}^2. Diese Menge beschreibt in diesem Fall einen Kreis, also eine Kurve im \mathbb{R}^2. Sie können diese Menge natürlich als die Nullstellenmenge der Funktion f(x_1,x_2) = x_1^2 + x_2^2 - 5 beschreiben. Wenn Sie sich aber für die Tangente an einen Punkt der Kurve interessieren, dann brauchen Sie zunächst einmal eine bessere Beschreibung der Kurve! Der Satz über implizite Funktionen hilft: nehmen wir den Punkt p=(0,1)^\top. Der Satz über implizite Funktionen sagt aus, dass sich die Gleichung x_1^2 + x_2^2 - 5 = 0 in einer Umgebung von p=(0,5)^\top nach x_2 auflösen läßt: Es gibt eine Funktion \phi, so dassx_1^2 + \phi(x_1)^2 - 5 = 0 in einer Umgebung der 0 (z.B. in einem kleinen Intervall: x_1 \in (-\epsilon, \epsilon)). In dem Beispiel ist das trivial, denn die Funktion \phi kann explizit als \phi(x_1) = \sqrt{5-x_1^2} angegeben werden. Beachten Sie: An den Punkten (\pm 5,0) geht das schief! Jetzt haben wir die Kurve lokal in einer Umgebung von p=(0,5)^\top als Graph der Funktion x_1 \mapsto \phi(x_1) dargestellt. Wenn wir jetzt die Tangente an die Kurve in p bestimmen wollen, können wir einfach das Taylorpolynom von \phi am Nullpunkt ausrechnen (...und Sie haben in der Vorlesung gelernt, wie das geht...).


Minimierung auf nichtkompakten Mengen

Warum funktioniert die Lagrangesche Multiplikatorenregel auch bei Mengen, die nicht kompakt sind?

Die Lagrangesche Multiplikatorenregel sagt aus, dass wenn \hat{x} die Zielfunktion f: \mathbb{R}^n \to \mathbb{R} auf der Menge D = \{ x \in \mathbb{R}^n, \, g(x) = 0 \} (Nebenbedingung) minimiert, der Gradient der Lagrangefunktion L(x) = f(x) + \lambda g(x) an \hat{x} verschwindet,

$ \frac{\partial L}{\partial x_1}(\hat{x})= 0, \ \dots \ , \frac{\partial L}{\partial x_n}(\hat{x})= 0, \ \frac{\partial L}{\partial \lambda}(\hat{x})= 0. $

Wenn die Menge D kompakt ist und f stetig ist, dann ist klar, dass Extrempunkte von f auf der Menge D, die die Nebenbedingung g(x)=0 beschreibt, angenommen werden (dass also \hat{x} existiert). Wenn aber D nicht kompakt ist, dann ist das zunächst nicht klar. Betrachten wir ein Beispiel:

$f(x) = x_1 + x_2 + x_3, \qquad g(x) = \frac{1}{x_1} + \frac{1}{x_2} + \frac{1}{x_3} - 1, \qquad x_1, x_2, x_3 >0. $

Die Menge D ist hier unbeschränkt, also nicht kompakt. Wenn aber \| x \|_\infty \to \infty, dann gilt wegen x_1, x_2, x_3 >0 auch f(x) \to \infty. Genauer: Wenn \| x \|_\infty >10, dann ist auch f(x)>10. Da aber f(3,3,3)= 9 und (3,3,3) \in D, kann das Minimum von f auf D nur auf der Menge

$ D' = \{ x \in \mathbb{R}^3, \ x \in D , \| x \|_\infty \leq 10 \}$

angenommen werden, und D' ist kompakt, das heißt, das Minimum von f auf D' existiert auch (da f stetig ist). (Diese Argumentation wird in Übungsaufgaben üblicherweise nicht verlangt.)

Wie löst man nichtlineare Gleichungssysteme

Was tut man bei nichtlinearen Gleichungssytemen am geschicktesten?

Das ist eine schwierige Frage, denn es gibt keine pauschale Antwort. Was man auf jeden Fall nicht tun sollte, ist, stur den Gauss-Algorithmus durchzuspielen. Das endet meist im mathematischen Verderben. Manchmal bietet es sich bei nichtlinearen Gleichungssystemen an, mehrere Gleichungen des Systems (geschickt) so zu kombinieren, dass einzelne Variablen rausfallen. Es gibt aber kein Rezept für solche Gleichungssysteme, und man muß ein wenig Erfahrung haben, um zu sehen, wie man am besten vorgeht. Es bietet sich also an, ein paar Lagrange-Aufgaben zu rechnen, um etwas Übung zu bekommen.

Die Lagrangesche Multiplikatorenregel

Kann man sich einfach vorstellen, was die Lagrangesche Multiplikatorenregel tut?

Wenn Sie eine Funktion f: \mathbb{R}^n \to \mathbb{R} unter einer Nebenbedingung g(x)=0, d.h. auf der Menge D = \{ x \in \mathbb{R}^n, \, g(x) = 0 \} , minimieren wollen, dann nützt es wenig, den Gradienten von f zu betrachten, denn ein kritischer Punkt x von f (d.h. \nabla f (x) = 0) liegt im Allgemeinen nicht in D. Sie müssen irgendwie sicherstellen, dass die Nebenbedingung erfüllt wird! Die Lagrangefunktion L (x, \lambda)= f (x)+ \lambda g(x) wird nun gerade so gebaut, dass an einem kritischen Punkt (d.h. \nabla L = 0) automatisch die Nebenbedingung erfüllt ist: Wenn \nabla L (x, \lambda) = (\partial L / \partial x_1, \dots, \partial L / \partial x_n, \partial L / \partial \lambda)(x) = 0, dann ist \partial L / \partial \lambda (x)= g = 0.

Das skalare orientierte Kurvenintegral

Was ist das für ein Integral in Aufgabe 32?

Zunächst mal kennen wir ja das Kurvenintegral \int_C f(x) \, ds einer skalaren Funktion f : \mathbb{R}^n \to \mathbb{R} über eine Kurve C. Ist x(t), \ t \in [a,b], eine Parametrisierung von C, dann ist  \int_C f(x) \, ds = \int_a^b f(x(t)) \| \dot{x} (t) \|_2 \, dt . In der Vorlesung haben Sie gelernt, dass dieses Integral von der Orientierung unabhängig ist, d.h., es ist egal ob man Sie die Kurven von x(a) nach x(b) durchlaufen oder anderstrum. Dann gibt es noch das tangential orientierte Kurvenintegral \int_C F(x) \, ds eines Vektorfeldes F: \mathbb{R}^n \to \mathbb{R}^n, das wie folgt definiert ist,  \int_C F(x) \, ds = \int_a^b F(x(t)) \cdot \dot{x} (t) \, dt . Bei dem Integral kommt es auf die Orientierung der Kurve an: wenn Sie die Kurve in entgegengesetzter Richtung durchlaufen, wechselt das Vorzeichen. Wenn man die Skalarprodukte im letzten Ausdruck ausschreibt,

$ \int_C F(x) \, ds = \int_a^b F_1(x(t)) \dot{x}_1 (t) + \dots + F_n(x(t)) \dot{x}_n (t) \, dt = \int_a^b F_1(x(t)) \dot{x}_1 (t) \, dt  + \dots + \int_a^b F_n(x(t)) \dot{x}_n (t) $

dann erhält man auf der rechten Seite skalare orientierte Kurvenintegrale: Wir schreiben (für eine skalare Funktion f: \mathbb{R}^n \to \mathbb{R} )

$ \int_C f(x) \, dx_j := \int_a^b f(x(t)) \dot{x}_j (t) \, dt \qquad \dot{x}_j \text{ ist die j-te Komponente von } \dot{x}. $

Das Problem in Aufgabe 32 ist, zu erkennen, dass das Integral \int_{C_j} p \, dv genau solch ein Integral ist. Da v in der Aufgabe die erste Variable der Funktion p bezeichnet, gilt mit einer Parametrisierung x(t), t \in [0,1], des Weges in Aufgabenteil (a) oder (b)

$ \int_{C_j} p(v,T) \, dv := \int_0^1 p(x(t)) \dot{x}_1 (t) \, dt . $

Dabei ist \dot{x}_1 zum Beispiel auf dem waagrechten Teilstück des Weges in Aufgabenteil (a) gleich Eins und auf dem senkrechten gleich Null (Warum?).

Wie kann man sich ein tangential orientiertes Kurvenintegral vorstellen?

Das (skalare!) Kurvenintegral \int_C f(x) \, ds einer skalaren Funktion f : \mathbb{R}^n \to \mathbb{R} über eine Kurve C mit Parametrisierung x(t), \ t \in [a,b], ist definiert durch  \int_C f(x) \, ds = \int_a^b f(x(t)) \| \dot{x} (t) \|_2 \, dt . Sie haben in der Vorlesung folgende Motivation kennengelernt: Wenn Sie eine Treppenfunktion \phi, die auf der Kurve C stückweise konstant ist,

$\phi() = c_j \quad \text{auf dem Kurvenst\"uck } I_j = \{ x(t), t \in [t_{j-1}, t_j ]\} $

über die Kurve C integrieren wollen, dann würde man das Integral sinnvollerweise wie folgt setzen:

$\int_C \phi \, ds = \sum_j c_j \, \text{L\"ange von } I_j =  \sum_j c_j \, \int_{t_{j-1}}^{t_j} \| \dot{x} \|_2 \, dt $

und der letzte Ausruck ist gleich  \int_a^b \phi (x(t)) \| \dot{x} \|_2 \, dt .

Wie kann man nun das tangential orientierte Kurvenintegral motivieren? Für ein Vektorfeld F: \mathbb{R}^n \to \mathbb{R}^n ist bekanntlich  \int_C F(x) \, ds = \int_a^b F(x(t)) \cdot \dot{x} (t) \, dt . Zunächst: Der Ausdruck F(x(t)) \cdot \dot{x} wird als die Tangentialkomponente des Vektorfelds F bezeichnet. Wenn Sie sich F als ein Kraftfeld vorstellen, dann ist F(x(t)) \cdot \dot{x} gerade die Stärke des Kraftfelds in Richtung \dot{x}. (Begründung: Ist \dot{x} = (1,0,0)^\top, dann ist F(x(t)) \cdot \dot{x} = F_1(x(t)) gerade die erste Komponente von  F(x(t)), also gerade die Kraft in x_1-Richtung. Wenn Sie das mit allen drei Koordinaten machen und aufsummieren, folgt, dass F(x(t)) \cdot \dot{x} die Stärke des Kraftfelds in Richtung \dot{x} ist.)

Das tangential orientierte Kurvenintegral summiert also die Stärke des Feldes F in tangentialer Richtung entlang der Kurve auf. Nochmal anderst formuliert: Das tangential orientierte Kurvenintegral summiert die Kraftkomponente in Wegrichtung entlang der Kurve auf. Weil die Arbeit nun gerade die Kraftkomponente in Wegrichtung mal der Weglänge ist, folgt, dass das tangential orientierte Kurvenintegral die Arbeit entlang des Weges aufsummiert.

Man kann das ganze natürlich auch wieder mit Treppenfunktionen motivieren: Betrachten wir einen Streckenzug C im \mathbb{R}^3, der aus endlich vielen Strecken I_j = \{ x_j(t), t \in [t_{j-1}, t_j] \} besteht. Dass I_j eine Strecke ist, heißt gerade, dass  x_j(t) = a_j t + b_j gilt, für Vektoren a_j, b_j. Der Tangentialvektor an I_j ist offensichtlich a_j. Ist F eine (Vektor-)Treppenfunktion, die auf dem Teilstück I_j den Wert F_j annimmt, dann ist die Arbeit auf dem jten Teilstück gleich F_j \cdot a_j mal die Länge von I_j, und damit kommt man wie oben im skalaren Fall auf die Formel fürs tangential orientierte Wegintegral.

Parametrisierung nach der Bogenlänge

Wann braucht man eine Parametrisierung nach der Bogenlänge?

Eine Parametrisierung x(t), \ t \in [a,b], einer Kurve C heißt nach der Bogenlänge parametrisiert, falls die (euklidische) Norm des Tangentialvektors \dot{x}(t) gleich Eins ist für alle t \in [a,b]. Grundsätzlich gilt: Es ist für ein (unorientiertes!) Wegintegral \int_C f(x) \, ds egal, welche Parametrisierung Sie benutzen, es kommt immer das Gleiche raus. (Bei orientierten Wegintegralen \int_C F(x) \cdot \, ds bestimmt allerdings die Richtung der Parametrisierung das Vorzeichen des Integrals!). Eine Parametrisierung nach der Bogenlänge bietet hier also keinen Vorteil (sondern nur mehr Arbeit). Allerdings durchläuft man die Kurve C mit einer nach der Bogenlänge parametrisierten Parametrisierung mit der Geschwindigkeit Eins. Das macht es sehr einfach, die zurückgelegte Strecke um Zeitpunkt t zu berechnen: die ist gerade t. Die zurückgelegte Wegstrecke kann man aber natürlich auch mit jeder anderen Parametrisierung berechnen.

Anwendung der Verzerrung

Wann brauche ich denn nun in meinem Integral eine "Verzerrung" und wann nicht?

Grundsätzlich tritt im Integral immer eine Verzerrung auf, wenn man die Transformationsformel benutzt oder eine Parametrisierung verwendet. Also braucht man dann grundsätzlich immer eine Verzerrung.

  • Bei Bereichsintegralen (also Volumenintegralen im Dreidimensionalen und bei Flächenintegralen im Zweidimensionalen) ist das die Jacobi-Determinante der Transformation.
  • Bei Oberflächenintegralen im Dreidimensionalen ist es \|X_u\times X_v\|, wobei X: (u,v)\mapsto X(u,v) die Parametrisierung des Flächenstücks ist. Handelt es sich um ein Flussintegral, d.h. der Integrand ist von der Form F\cdot n, und wir ermitteln den Normalenvektor n als Kreuzprodukt n=X_u\times X_v, so kürzt sich die "Verzerrung" gegen die Norm der Normalen weg. In diesem Fall brauchen wir die Verzerrung nicht auszurechnen, da der Normalenvektor diese Information bereits mitbringt. Anders sieht es aus, wenn wir uns n auf andere Weise beschaffen (z.B. wenn offensichtlich ist, dass er genau nach unten oder oben zeigt). In diesem Fall steckt keine Information über die Verzerrung im Normalenvektor, wir müssen sie also extra berechnen.
  • Bei Kurvenintegralen im Zwei- und Dreidimensionalen ist es \|\dot{x}(t)\|, wobei x: t\mapsto x(t) die Parametrisierung des Kurvenstücks ist. Auch hier gilt wieder: bei speziellen Integralen, nämlich Arbeitsintegralen (d.h. über f\cdot\tau, \tau Tangenteneinheitsvektor) und Flussintegralen (d.h. über f\cdot\nu, \nu Normaleneinheitsvektor) kürzt sich die Verzerrung gegen die Norm weg, wenn wir uns den Tangentenvektor als \dot{x}(t) beschaffen.

Integral der Eins-Funktion

Warum muss ich gerade über die Eins-Funktion integrieren, um den Flächen- bzw. Volumeninhalt eines Flächenstücks bzw. Körpers zu erhalten?

Das ist nicht schwer einzusehen. Ist \varrho(x) die Dichte im Punkt x, so ist bekanntlich die Masse des Körpers K gegeben durch

$m=\iiint\limits_K \varrho(x) \, dx.$

Wenn nun \varrho(x)=1 konstant ist, so ist die Massenmaßzahl gleich der Volumenmaßzahl. Stellen wir uns also den Körper mit Wasser gefüllt vor (Dichte ca. 1 g/cm^3) und bekommen heraus, dass er 542g wiegt, muss das Volumen eben 542 cm^3 sein.

Verschwindende Oberflaechenintegrale

Ich habe ein Oberflächenintegral über eine Fläche, die offensichtlich einen von Null verschiedenen Inhalt hat. Wie kann es sein, dass da 0 herauskommt?

Das ist kein Widerspruch. Ein Oberflächenintegral liefert dann gerade den Flächeninhalt (s.o), wenn man über die Funktion "konstant eins" integriert:

$|S|=\iint\limits_S 1 \, do$

Wenn nun statt 1 ein beliebiger Integrand gegeben ist, sagen wir f, so werden beim Integrieren lauter kleine Beiträge von f über S aufsummiert. Fasst man f als (z.B. Ladungs- oder Energie-) Dichte auf, so gibt das Oberflächenintegral die Gesamtladung bzw. Energie an. Beim Integrieren wird gewissermaßen eine Bilanz erstellt, und die kann 0 sein, wenn sich die positiven und negativen Beiträge herausheben.

Wie kann man sich div und rot bildlich vorstellen

Was kann man sich unter div und rot vorstellen?

Die Divergenz eines Vektorfelds beschreibt, ob das Feld lokale Quellen oder Senken besitzt, ob also an einer gewissen Stelle im Raum das Feld expandiert oder komprimiert. Die Rotation eines Felds beschreibt, wie sich ein infinitesimal kleiner Körper, den man in das Feld setzt, rotieren würde (daher der Name). Eine sehr anschauliche Erklärung beider Differentialoperatoren ist hier zu finden.

Die Orientierung bei Stokes

Wie war das nochmal mit der Dreifingerregel beim Satz von Stokes?

$\iint\limits_{A} \mathrm{rot}\, F(x)\cdot n(x)\,do=\int\limits_{\partial A} F(x)\cdot \tau(x)\,dx$

Da der Satz von Stokes für Flächenstücke A mit Rand \partial A gilt, bei denen wir nicht von "innen" und "außen" sprechen können, ist die Richtung des Normalenvektors nicht von vornherein festgelegt (anders beim Satz von Gauß, wo er immer nach außen zeigen muss). Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass seine Richtung zur Orientierung des Randes "passt", und das prüft man mit der Dreifingerregel folgendermaßen nach:

Hier passen die Richtungen nichtHier passen die Richtungen
Hier passt die Richtung der Flächennormalen nicht zur Orientierung des RandesHier passen Richtung der Flächennormalen und Orientierung des Randes zueinander!


Man sucht sich einen beliebigen Punkt auf dem Rand aus und berechnet die Oberflächennormale sowie den Tangentenvektor an die Randkurve in diesem Punkt. Dann richtet man den Daumen der rechten Hand so aus, dass er in Richtung des Normalenvektors zeigt und den Zeigefinger so, dass er in die Richtung der Tangente weist. Zeigt dann der Mittelfinger dorthin, wo sich das Flächenstück befindet, so passen die Richtungen, anderenfalls muss entweder die Richtung des Normalenvektors oder die Orientierung der Randkurve umgekehrt werden.